Wochenrückblick KW7Behörden, die auf Daten starren

Wenn sich der Staat illegal an Daten vergreifen will, ist das ein Grund zur Sorge. Richtig gefährlich wird es, wenn Datenschutz auf legalem Wege ausgehebelt werden soll. Sei es durch die GroKo, Amazon oder Oracle. Aber wie so oft im Leben, gibt es noch Licht am Ende des Tunnels.

Auf Beutesuche in fremden Gefilden: Aldi kauft sich in die Gaming-Szene ein – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Quentin Bounias

Diese Woche startete die europaweite Kampagne und Petition „ReclaimYourFace“. Die Bürger:inneninitiative fordert das Verbot biometrischer Überwachungstechnik in der gesamten EU. Dabei ist sie auf Unterstützung der Bevölkerung angewiesen: In den nächsten zwölf Monaten muss die Initiative eine Million Unterschriften sammeln, damit sich die EU-Kommission mit der Forderung überhaupt erst auseinandersetzt.

Auch in Amerika ist der Einsatz von Überwachungstechnologie auf dem Vormarsch: Polizeibehörden haben erstmals privates Überwachungsmaterial von Demonstrationen über Amazon „Ring“ angefordert. Die Heimüberwachungstechnik des Online-Versandhändlers hat bei Black-Lives-Matter-Protesten Personen aufgezeichnet, die von ihrem verfassungsrechtlich geschützten Demonstrationsrecht Gebrauch machten. Mittlerweile arbeiten in den USA mehr als 2.000 Behörden mit Amazon Ring zusammen. Die „Electronic Frontier Foundation“ fordert deshalb eine strengere Regulierung von privater Überwachung mit Systemen wie Ring.

Das US-amerikanische Unternehmen „Oracle“ sollte unter Regierungszeiten von Donald Trump bei TikTok einsteigen, um die Daten amerikanischer TikTok Nutzer:innen vor der chinesischen Regierung zu schützen. Eine Recherche von The Intercept hat gezeigt, dass Oracle sich seit Jahren um Aufträge aus dem chinesischen Sicherheitsapparat bemüht und mit den dortigen Behörden zusammenarbeitet. Oracles Datenanalysetools wurden für den Einsatz bei der Polizei in China beworben und offenbar auch verwendet.

Unternehmen an der (zu) langen Leine

In Australien ist der Streit zwischen der Regierung und Facebook eskaliert: Mit einer harten Verhandlungstaktik wehrt sich der Tech-Konzern gegen ein neues Mediengesetz, das Google und Facebook zu Zahlungen an Presseverlage für Nachrichtenmeldungen zwingen soll. Im Gegensatz zu Google, das mittlerweile mit mehreren Presseverlagen kooperiert, stellte sich Facebook quer und sperrte kurzerhand australische Nachrichtenseiten. Opfer wurde ein breites Spektrum an öffentlichen Medien, von Politiker:innen, Zeitungen bis hin zum australischen Wetterkanal. Ob dieser Schritt sinnvoll war, wird sich zeigen – der Plattform könnte wegen solcher Aktionen der Verlust vieler Nutzer:innen drohen.

Druck wird auch auf TikTok ausgeübt: Denn für die Nutzer:innen der Plattform ist nicht klar erkennbar, was mit ihren Daten passiert. Und das ist nicht das einzige Problem. Nach dem Tod einer 10-jährigen Italienerin wurde deutlich, dass die Alters-Kontrolle des sozialen Netzwerkes verbessert werden muss. Jetzt hat sich der EU-Verbraucherverband BEUC eingeschaltet. Eine Sprecherin von TikTok betonte, sie würde ein Treffen mit dem BEUC begrüßen und gerne auf deren Bedenken eingehen. Es bleibt abzuwarten, ob hinter dem Statement mehr als heiße Luft steht.

Die „Tracking-Free Ads Coalition“ wurde zusammen von 14 EU-Abgeordneten und dem NGO-Bündnis „European Digital Rights“ gegründet. Hintergrund: Google, Facebook und andere Plattformen verdienen ihr Geld mit personalisierter Werbung, die auf die persönlichen Profile der Plattform-Nutzer:innen zugeschnitten sind. Das erfordert einen laxen Umgang mit privaten Daten. Zeit für die Gretchenfrage: Sollten wir personalisierte Werbung verbieten?

Ring frei: Deutschland vs Datenschutz

Nach dem erfolgreichen Takedown von Emotet wird Kritik am Vorgehen des Bundeskriminalamtes (BKA) laut. Mit hoher Wahrscheinlichkeit hat das BKA seine Befugnisse nicht nur ausgedehnt, sondern überschritten. Dabei könnten Computergrundrechte von Opfern verletzt worden sein. Leider fehlen noch immer relevante Informationen über das Vorgehen und die genaue Rolle des BKA im Fall Emotet. Auch wenn Emotet alleine in Deutschland rund 14,5 Millionen Euro Schaden verursacht haben soll, heiligt der Zweck nicht die Mittel.

Mit dem Entwurf des Bundespolizeigesetzes hat sich die Große Koalition einen Tiefschlag (beim Boxen gilt das als Foul) gegen den Datenschutz geleistet. Staatstrojaner sollen demnach gegen Personen eingesetzt werden dürfen, die noch gar keine Straftat begangen haben. Das bedeutet konkret, dass die Bundespolizei IT-Geräte hacken und verschlüsselte Kommunikation ausleiten könnte, auch wenn die betroffene Person als unschuldig gilt. 2009 wurde der Staatstrojaner zur angeblichen Verhinderung von internationalen Terroranschlägen eingeführt. Darauf folgte 2017 die Erweiterung des Staatstrojaners auf 44 Straftaten.

Der E-Mail-Provider mailbox.org hat in einem Transparenzbericht für das Jahr 2020 einen Anstieg rechtswidriger Auskunftsanfragen von Behörden beklagt. Über die Hälfte der Anfragen sei fehlerhaft gewesen. Als Konsequenz hat mailbox.org die angeforderten Informationen zurückgehalten. Geschäftsführer Peer Heinlein erläutert, dass die meisten Auskunftsersuche auf Basis von falschen Rechtsnormen gestellt wurden. Die deutschen und ausländischen Strafverfolgungsbehörden würden neue Datenschutz-Gesetze ignorieren oder seien noch nicht auf diese eingestellt.

CDU-Bluff in der letzten Runde: „Unser Anliegen, Uploadfilter komplett unnötig zu machen, konnten wir nicht vollständig umsetzen.“ Öffentlich scheint die CDU zu bedauern, dass der Regierungsentwurf nicht von Uploadfiltern freigehalten werden konnte. Währenddessen versucht der CDU-Europaabgeordnete Axel Voss hinter verschlossenen Türen die Umsetzung der Uploadfilter sogar noch zu verschärfen. Die Ausflüchte der CDU sind eine Farce – und der Einsatz von Uploadfiltern eine Gefahr für die Meinungsfreiheit.

Back in the EU/USA

Innovationsforscher Knut Blind fordert staatliche Subventionen für Open-Source-Software. Open-Source sei ein Wachstumsmotor für kleine und mittlere Unternehmen in Europa. Auch Spannend: Open-Source könnte Europa zur heiß diskutierten „digitalen Souveränität“ verhelfen. Das wäre ein wichtiger Schritt in Richtung Unabhängigkeit von Tech-Giganten aus China und USA. Ohne Hilfe vom Staat sei das laut Blind jedoch nicht möglich.

Satte 7,1 Milliarden Euro haben Frankreich, Italien, Spanien und Deutschland für die Beschaffung der „Eurodrohne“ eingeplant. Die bewaffnungsfähige Drohne soll auch mit Abhörtechnik ausgestattet werden. Obwohl der Bundestag noch über die Serienproduktion abstimmen muss, tut das Verteidigungsministerium auf seiner Website so, als ob die Angelegenheit bereits beschlossen wäre und kündigt darüber hinaus den Einsatz von signalgebender Aufklärung (Signals Intelligence – SIGINT) an. Bislang waren für die Eurodrohne nur bildgebende Aufklärung (Imagery Intelligence – IMINT) und Bewaffnung im Gespräch.

Und sonst so?

Was hat eine Supermarktkette in der Gaming-Community verloren? Eine Frage, die sich viele nach dem Launch von ALDI Gaming stellen dürften. Mit der Unterstützung von vier reichweitenstarken Influencern will der bekannte Discounter einen hauseigenen Kanal auf der Streaming-Plattform Twitch hochziehen. Dahinter steckt eine Marketing-Strategie, um junge und kaufkräftige Zielengruppen zu erreichen.

Neu ist sie nicht, die Debatte um eine Smart-City-Strategie für Berlin. Allerdings fehlt es immer noch an konkreten Umsetzungsmöglichkeiten. In der vergangenen Woche hatte das „Bündnis digitales Berlin“ zu einem Runden Tisch mit Vertreter:innen der Berliner Verwaltung geladen, um erneut über das Thema zu diskutieren. Dabei stellten Vertreter:innen des Berliner Senates neue Wege vor, wie die Stadtgesellschaft in die zukünftige Ausgestaltung einer Strategie eingebunden werden kann. Die sehr kurzfristige Ausschreibung sorgt bei zivilgesellschaftlichen Akteuren aber für Unmut. 

Ein wichtiges Thema, das bei vielen Menschen noch immer auf Ignoranz stößt: Nicht-geschlechtsspezifische Menschen und andere gesellschaftliche Minderheiten müssen sich tagtäglich mit Diskriminierung und Intoleranz auseinandersetzen. Damoun berichtet im Portrait von ihren Erfahrungen als nicht-binäre, queere, nach Deutschland gezogene Person und Aktivistin – online wie offline.

In unserem Podcast von dieser Woche fliegen spannende Themen wild durcheinander. Stichwort Wolfsgeist: Was sich nach einem bitteren Bauernschnaps anhört, ist bei dem chinesischen Tech-Hersteller Huawai der Leit-Begriff für die konzerninterne Arbeitsmoral. Und die hat es in sich. Monatelange Untersuchungen der Arbeitsbedingungen bei Huawei offenbaren ein toxisches und diskriminierendes Klima. Zu besprechen gab es auch den wachsenden Widerstand gegen den laxen Datenschutz bei Messenger-Dienst WhatsApp. Zu guter Letzt thematisieren wir die wunderbare finanzielle Unterstützung unserer Leser:innen im Dezember (an dieser Stelle noch mal ein großes „Danke!“).

Und eine erfreuliche Nachricht zum Schluss: Sigi Maurer wurde freigesprochen. Nachdem die österreichische Politikerin auf Twitter den Namen des Verfassers eines an sie gerichteten frauenverachtenden beleidigenden Nachricht öffentlich gemacht hatte, wurde sie der üblen Nachrede beschuldigt. Der Kläger bekam zunächst Recht, da sie nicht eindeutig beweisen konnte, dass die Nachricht wirklich von ihm stammte. Jetzt wurde die Grünen-Politikerin freigesprochen

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